Hospiz macht Schule
OER-ERKENSCHWICK. „Hallo Wichart!“, ruft ein Junge aus der "Seehundklasse", winkt, flitzt durch den Ratssaal und umarmt ihn stürmisch. Wichart von Roëll freut sich sichtlich über diese herzliche Begrüßung im großen Saal des Rathauses und dreht erst einmal ein paar Runden zur Begrüßung auch der anderen Kinder.
Zusammen mit seiner Frau Anne Althoff-von Roëll war er eine ganze Woche in der Klasse 3c der Clemens-Höppe-Grundschule zu Gast, um mit den Kindern das Thema Sterben, Trauer und Tod aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln anzugehen. Die beiden sind das Schirmherren-Ehepaar des Ambulanten Hospizdienstes (AHD). Zusammen mit vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die fachkundig von Hospizkoordinator Pfarrer Ulrich Radke ausgebildet worden sind, begleiten sie Menschen auf deren Wunsch in ihrer letzten Lebensphase zu Hause.
Wenn bereits Grundschulkinder auf den möglichen Verlust von ihnen nahe stehenden Personen gut vorbereitet werden, hilft das auch den Eltern, den Familien und vielen anderen Beteiligten - so ihr Gedanke. Zusammen mit den Koordinatorinnen Sabrina Bergeest und Marianne Michel vom Hospiz "Zum Heiligen Franziskus" brachte der Koordinationskreis des AHD deshalb das Projekt "Hospiz macht Schule" auf den Weg. Schulleiterin Christel Berg empfing sie mit offenen Armen: "Ich habe sofort 'Ja!' gesagt und auch alle meine Kollegen waren von Beginn an begeistert!", erzählte sie.
Die Drittklässer erinnern sich gerne an die gemeinsame Themenwoche, die so anders verlaufen ist und viele Überraschungen für alle bereit hielt. "Der Wichart" hat Geschichten vorgelesen, "die Anne" hat die Kinder beim Malen und Basteln unterstützt, "die Sabrina" und "die Marianne" wiesen die Kinder in die verschiedenen Aktionen ein und sorgten für die passenden Pausen. Jeder Wochentag hatte sein eigenes Motto und seine besondere Farbtönung. An all das erinnerten sich die Kinder detailliert und mit großer Freude.
In der gelben Gruppe am Montag, so erzählten sie, wurde das Thema "Werden und Vergehen" in der Geschichte von einer Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt, lebendig. Sie gestalteten und erlebten eine "Himmelsreise" mit Ballons in graue und in weiße Wolken.
Mit der Ärztin Dr. Julia Lütteken und ihrem Notfall-Koffer konnten sie am orangefarbenen Dienstag das Thema "Kranheit und Leid" Krankheiten nachspielen und anschließend Herrn Herrmann im Hospiz besuchen, der eine Drohne fliegen ließ. Tamina und Lotti hatten großen Spaß, als sie per Lift in seine Badewanne gehievt wurden - "Das war super gut!", waren sich die Kinder einig.
Am roten Mittwoch zum Thema "Sterben und Tod - was kommt danach?" hatte wiederum "der Wichart" seinen Auftritt und las ihnen die Geschichte "Hat Opa einen Anzug an?" vor. Dann schauten alle zusammen den Film "Willi will's wissen", in dem Willi einen alten Mann besucht, der im Abschiedszimmer beim Bestatter liegt. Beim anschließenden Besuch auf dem Friedhof erlebten sie, wie dort eine Frau beerdigt wurde und lernten den Bestatter kennen.
Donnerstag war der grüne Maltag. Viele bunte Bilder zum Motto "Die Farben der Gefühle" seien mit Fingerfarben entstanden. Dazu wird es später noch eine Ausstellung geben. Dem Gefühl der Entwurzelung, das dem Verlust eines Menschen ähnelt, konnten sie mit Hilfe einer Umtopfaktion nachspüren: aus einem großen Topf mit Traubenhyazinthen wurden Blumenzwiebeln von ihren Wurzeln getrennt und, von den anderen getrennt, in Einzeltöpfe umgepflanzt. Jedes Kind durfte ein Exemplar mit nach Hause zur Pflege nehmen. "Neue Wurzeln werden wachsen" -"Es geht weiter, etwas Neues kommt", kommentierten die Kinder diese Aktion.
Der Freitag zum Thema "Tod und Trösten" war in blau gehalten und gestaltete sich als buntes Abschlussfest mit Theater, Essen mit den Eltern, Tanzen, den Aktionen "Knoten entknoten" und "Trostbriefe schreiben" und schließlich dem Mottolied der Woche "Der Himmel geht über allen auf".
Selbstverständlich wurde das Mottolied gleich noch einmal im Ratssaal angestimmt. Pressesprecher André Thyret zeigte schließlich noch die Bildercollage von "dem Manfred", der als Fotograf die ganze Woche über das Projekt begleitet und die schönsten Bilder auf einer CD als Geschenk für jedes Kind zusammengestellt hat.
"Ohne die Begleitung der Ehrenamtlichen würde es nicht gehen. Wir könnten das Projekt gar nicht allein auf die Beine stellen", lobte Sabrina Bergeest alle Beteiligten beim Treffen im großen Saal des Rathauses mit Bürgermeister Carsten Wewers, der dorthin eingeladen hatte, um das gemeinsame Projekt öffentlich mit einem Dankeschön-Empfang zu würdigen: "Ich spüre immer noch die Freude daran und habe einen tollen Eindruck davon bekommen. Danke an die Ehrenamtlichen und an die Kinder", sagte Wewers sichtlich beeindruckt und erfreut. „Die Kinder haben in ihren Familien positiv über das Projekt berichtet. Das freut uns sehr“, betonte Schulleiterin Christel Berg.
Der Höhepunkt des Projekts steht aber noch aus: am Sonntag, dem 2. Februar 2020 wird in der Stadthalle eine "Hospiz-Inszenierung" sprichwörtlich "über die Bühne gehen". Auch die Seehundklasse wird dann zusammen mit weiteren Akteuren auf der Bühne stehen. Der Rest ist (noch) ein Geheimnis. GH