Einführung von Pfarrerin Merle Vokkert in Haltern am See
"Das Leben ist schön!"
HALTERN - Mit einem schwungvoll-festlichen Gottesdienst mit Posaunenchor und Orgelmusik in der gut gefüllten Erlöserkirche zu Haltern am See wurde Pfarrerin Merle Vokkert am vergangenen 11. Sonntag nach Trinitatis von ihrer neuen Kirchengemeinde begrüßt und in die 2. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde eingeführt.
Superintendentin Katrin Göckenjan-Wessel erinnerte in ihrer Ansprache zu Psalm 136 mit dem bekannten Kehrvers „… denn seine Güte währet ewiglich“ daran, wie wichtig es gerade in den schweren Zeiten der Gemeinde und in ihren Veränderungsprozessen war und sei, sich dieser unendlichen Quelle der Güte Gottes zu vergewissern, daraus Kraft zu schöpfen und zu leben: „Sie haben erfahren, wie wichtig es ist, dass jemand gerade dann vom Leben, von der Hoffnung und der Liebe Gottes spricht, wenn ich das selbst nicht glauben kann.“ Gott zu loben stärke „die Kraft zum Widerstand gegen alle lebensfeindlichen Kräfte“ und mache die Menschen „stark gegen alle Angstmache und Verachtung“, so Göckenjan-Wessel.
Auf diesem biblischen Hintergrund streifte die Superintendentin in einem kurzen Rückblick einige Schlaglichter aus Vokkerts Biografie.
Die gebürtige Halternerin ist Tochter des 2012 im Alter von 78 Jahren verstorbenen Pfarrers Heinrich Vokkert, der von 1968 bis 1988 in Haltern wirkte.
Für Vokkerts Pfarrgeneration typisch war die berufliche Infragestellung durch die Personalpolitik der Landeskirche: „Will unsere Kirche uns eigentlich wirklich haben, sind wir erwünscht, gewollt, geschätzt?“, fasste Göckenjan-Wessel die damit verbundenen Unsicherheiten, Anfragen und persönlichen Verletzungen vieler Pfarrgeschwister mit zum Teil erheblichen Auswirkungen auf die berufliche Entwicklung zusammen.
Auch die 15 Jahre, die Vokkert, verheiratet mit Dietmar Kehlbreier, dem Recklinghäuser Diakoniepfarrer und Vorstand des Diakonischen Werks, als Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Altena gewirkt hat, seien für sie keine einfache Zeit gewesen. Sie habe dort, wie viele andere Kirchengemeinden auch, den demographisch und finanziell begründeten Abbau von Strukturen erlebt, den Wandel mit gestaltet und die Leidens- und Weggenoss*innen begleitet, mit denen sie immer wieder gemeinsam etwas Neues entwickelte - aus einer Grundhaltung der Dankbarkeit für alles von Gott Geschenkte heraus, fand die Superintendentin.
„Ich kann Jammern nicht ausstehen!“, hatte Pfarrerin Merle Vokkert vor diesem Hintergrund bereits bei mehreren Gelegenheiten beteuert. Ihre Predigt begann sie mit einer positiven Perspektive: „Das Leben ist schön! Ist das Leben nicht wunderbar?“, fragte sie ihre Hörer*innenschaft und ließ die Besucher*innen in der voll besetzten Erlöserkirche zunächst per Handzeichen abstimmen, was den Wert eines Lebens ausmache: echte Beziehungen, Liebe, Sinn, Essen und Trinken, Komfort oder Kunst, Musik und Literatur? Die Zustimmung zu den einzelnen Punkten fiel unterschiedlich aus.
Am 80. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 erinnerte Vokkert daran, dass das Naziregime den Wert eines Lebens nach der Zugehörigkeit zur arischen Rasse bemessen habe.
Auch in der Politik der AfD, so Vokkert mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, zeigten sich Tendenzen, den Wert eines Menschen nach seiner Nationalität oder Religionszugehörigkeit zu bemessen.
„Den Wert eines Menschen darf aber kein Mensch festlegen“, so Vokkert. „Das darf nur Gott. Jedes Menschenleben ist kostbar, egal welcher Nationalität.“ Gerade weil das Leben "nicht vollkommen ist, weil es schneller als geplant vorbei sein kann, ist es wunderbar. So fragil und gefährdet es auch ist: in all seiner Begrenztheit, mit seinen Einschränkungen und Unvollkommenheiten mit allen Hinfälligkeiten, seiner Zerbrechlichkeit ist es einfach schön!“ Daran lohne es sich festzuhalten, so die Predigerin. Die Kunst bestehe darin, dass jeder Moment in seiner Einmaligkeit gesehen und geschätzt werde.
Vokkert forderte die Gemeinde auf, das Leben mit dem Blick nach vorn zu gestalten, im Vertrauen auf Gott. „Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich“, zitierte sie den Psalm 16 Vers 11. In Freude und Wonne bei Gott bleiben, diese Botschaft möchte Pfarrerin Merle Vokkert vermitteln und gemeinsam mit der Halterner Gemeinde gestalten.
Sie ist ab sofort mit den Schwerpunkten Kinder- und Jugendarbeit und Kirchenmusik für die Bezirke Haltern-Nord/West, Bergbossendorf, Lavesum und Lippramsdorf zuständig. "Diese Aufgabenverteilung ist aber noch nicht in Stein gemeißelt", so Vokkert: "Wenn die Stelle von Bastian Basse, der unsere Gemeinde ebenfalls verlässt, neu besetzt wird, könnten sich meine Aufgabenschwerpunkte auch noch einmal ändern."
Nach dem Gottesdienst, den Vokkert zusammen mit der Superintendentin, dem Pfarrkollegen Karl Henschel, ihrer ehemaligen pastoralen Ausbilderin Pfarrerin Anke Gödersmann und dem Presbyterium gestaltete, lud das Presbyterium zum Empfang mit einigen Grußworten und Buffet ins Paul-Gerhard-Gemeindehaus nebenan. Für den Kirchenkreis überreichte die Superintendentin ein Apfelbäumchen, verbunden mit dem Wunsch, Vokkert möge mit ihrem Ehemann und mit Hund Balu in der neuen, alten Heimat Haltern Wurzeln schlagen. (Wo / GH)